Rohstoff Kork: kurzfristig nur wenig Entspannung in Sicht
Bessere Verfügbarkeit des nachwachsenden Rohstoffs für Weinverschlüsse, Bodenbeläge und Dämmung auf mittlere Sicht

Herford

Die Welt steht Kopf: Anders als zur Situation 2007-2008, als die globale Finanzkrise die Nachfrage auch nach Produkten aus Kork einbrechen ließ, geht jetzt seit einiger Zeit die Angebotsseite ‚in die Knie‘. Die unglückliche Gemengelage aus robuster Nachfrage auf der einen, sowie Material-Versorgungsprobleme der Korkindustrie auf der anderen Seite führt in Verbindung mit Inflation und Verteuerungen auf dem Energiemarkt zur geringeren Verfügbarkeit von Korkprodukten auf den Weltmärkten – und möglicherweise zu weiter steigenden Einstandspreisen.

Die Ressourcen zur Gewinnung von Rohkork sind begrenzt, die Spannweite der Klima- und Standortbedingungen für das Gedeihen der Kork-Eiche als relevantester Rohstofflieferant recht schmal. Maßgeblich stockt diese Baumart rund um das Mittelmeer mit dem industriellen Schwerpunkt Portugal (2020: 46 % Weltmarktanteil), andere Regionen in Fernost oder der Karibik haben keine oder eine nur eingeschränkte Bedeutung für die Korkindustrie.

Korkeichen-Biotope grundsätzlich intakt und stabil

In allen Erzeugerländern wurden in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, die mit Kork-Eichen bestockten Waldflächen zu erweitern oder zu intensivieren – unabhängig, ob natürlich oder künstlich begründet. Die biologische Verfügbarkeit von Korkrinde als nachwachsender Rohstoff ist demnach hinreichend gegeben. Ganz anders ist die Situation bei der wirtschaftlichen Verfügbarkeit von Naturkork, die sich aus mancherlei Gründen verschlechtert hat.

Definiert durch die Erntezyklen der Korkrinde von neun bis zehn Jahren ziehen Ernteausfälle oder unterlassene Ernten sowohl unmittelbare als auch nachgelagerte Versorgungsschwankungen nach sich. Die US-Immobilienkrise 2007, gefolgt von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise plus der Euro-Schuldenkrise bis 2012 mit unmittelbaren Auswirkungen auf die EU-Südländer wie Portugal, führte zu umfassenden Einschränkungen der Nachfrageseite von Korkprodukten.

Viele Korkeichen blieben in dieser Zeit wirtschaftlich ungenutzt – oder im Umkehrschluss: Der Gebrauchswert der zunehmend dicker und rissiger werdenden Korkrinden sank, Kork wurde für spätere Ernten unbrauchbar oder wirtschaftlich uninteressant, Rohmaterial für die Korkindustrie stand nur noch eingeschränkt zur Verfügung. Diese Situation wurde prekär mit anziehender Nachfrage ab 2014, was seit dieser Zeit zu einer zumindest ‚sensiblen‘ Versorgungssituation führte.

Steigende Nachfrage trift auf eingeschränkte Verfügbarkeit von Kork

Mitten in dieses Missverhältnis aus fehlendem Angebot und hoher Nachfrage traf 2020 die Corona-Pandemie auch Portugal und die anderen Kork-erzeugenden Länder. Kork-Ernten mussten ausfallen, die Korkindustrie hing in Lockdowns fest. Andererseits besannen sich die Verbraucher auf die Renovationen ihrer eigenen vier Wände, ausfallender Weinkonsum in der Gastronomie wurde nach Hause verlegt. Konsequenz: Das großartig wachsende Interesse an Korkprodukten konnte immer weniger materialseitig gesichert werden – die Nachfrage überstieg das Angebot.

Zu weiteren Versorgungsengpässen und steigenden Einstandspreisen führte schließlich die teilweise ausfallende Ernte 2022. Hierbei macht sich der Klimawandel akut bemerkbar, der zu extremer Trockenheit in den mediterranen Wäldern und zur anhaltenden Wasserunterversorgung der Korkeichen führt – mit allen biologischen Konsequenzen.

Obwohl die Baumart für solcherart Stress gewappnet ist und auch länger anhaltende Belastungen übersteht, scheitern nun aber häufiger reguläre Korkernten: Die Rindenplatten lassen sich entweder sehr schwer oder überhaupt nicht vom Baum bzw. dessen Kambium lösen, was zu Materialbrüchen und eingeschränkter Verwendbarkeit führt. Oder aber die Risiken, die zu beerntenden Bäume zu beschädigen, sind zu groß.

Mittelfristig Markt-Entspannung erwartet – Kostendruck weiterhin hoch

Kork ist aktuell ein sehr knappes Gut, welches nur ressourcenschonend einzusetzen ist. Die Kreislaufwirtschaft und das Kork- bzw. Korkenrecycling sind noch wichtigere Faktoren geworden, um der Korkmangellage zu begegnen – wie auch der Deutsche Kork-Verband immer wieder unterstreicht und sich um den Betrieb bzw. Ausbau des Korken-Sammelstellensystems bemüht.

Die Chancen stehen gut, dass sich die Versorgungslage mittelfristig wieder verbessert – die erwartet gute Ernte in diesem Jahr kann dazu ein erster Schritt sein. „Wir sind optimistisch und erwarten, dass die aktuelle Unterversorgung der Industrie mit Rohkork bald enden könnte. Kritisch sehen wir sowohl anhaltend hohe Energiekosten sowie Inflations- sowie Rezessionsgefahren als auch die mutmaßlich schwindende Manpower vor Ort, die für die Korkernten bereit steht“, fasst Edwin Lingg, DKV-Vorstand und Sprecher der Fachgruppe Boden im Verband, die Situation zusammen.


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